Verblüffend professionell, mächtig effektvoll: Münchner
Hip-Hop-Projekt ist in Mienersen zu Gast
Die Sehnsucht nach der coolen Jugendbewegung
Von Harald Likus
MEINERSEN. Multicool und multimedial, multikulti sowieso, molto vivace
aber auch und damit vor allem mächtig effektvoll. Die heißblütige
Truppe "HipHopera" fegte gestern mit ihrem Musical "Cool" über die
Bühne des Kulturzentrums in Meinersen. Der Rest war Staunen.
Staunen über die Professionalität eines Kulturprojektes,
das nicht zuletzt der Berufsberatung und dem Jugendamt der Stadt München
seine Existenz verdankt. Staunen auch darüber, wie der Kulturverein
Meinersen das Kulturzentrum auf das Kultstück vorbereitete. Die Aufbauten
machten es nötig: Wo sonst die Bühne ist, saß das Publikum,
wo sonst die Zuschauer sind gingen die Hip-Hopper zur Sache.
Und wie: Zu wuchtigen von Band eingespielten Rhythmen sangen und tanzten,
sprühten und reimten sie, wilde Mädchen mit langen Haaren und
eng anliegenden Tops, coole Jungs mit Mütze und Schlabberhose. Die
Themen der immerhin mehr als ein Dutzend Hip-Hopper: Ghetto, Gewalt und
Sexualität, Drogen, Unterdrückung und immer die Sehnsucht nach
der eigenen coolen Jugendbewegung.
Das mit dem Ghetto und der Jugendbewegung wirkt zwar manchmal ganz
schön aufgesetzt, manchem Darsteller gelingt der Tigergang und die
Großstadtschnauze nicht so ganz authentisch. Wirklich wohltuend ist
dagegen die Abwesenheit einer heuchlerischen "Eigentlich haben wir uns
doch alle lieb"-Pädagogik. Bei einem politisch begonnenen, öffentlich
geförderten, mittlerweile stolz um die Welt geschickten Projekt wie
diesem, ist es erfreulich, wie frisch und undressiert sich die jungen Künstler
in ihre Rollen warfen. Und Hip-Hop singen und tanzen können sie sowieso.
Zudem gibt es geschickte Effekte. Einer hat häufig eine Handkamera
unterm Arm, mit der er zum Teil wunderbare Standbilder auf die Großleinwand
zaubert, die neben der zünftig vollgesprühten Mauer-Atrappe den
Bühnenhintergrund dominiert.
Deutlich erkennbar ist auch die Mühe, sich nicht nur auf die Hip-Hop-Power
der Boxen zu verlassen. Natürlich gibt es auch gequälte Reime-"wir
brauchen keine Wanzen, die sich hier verschanzen" -, grundsätzlich
jedoch sind die Texte ausgefeilt. Die Probleme einer jungen Türkin
in der Zwickmühle von angestammter und Hip-Hop-Familie wurden eindringlich
in Worte gefasst und fesselnd gespielt. Auch die Story um den Rückblick
aus dem Jahr 2039 ist gut überlegt.
Viele der Schüler aus Meinersen, Weyhausen und Meine, die gestern
Vormittag das Kulturzentrum füllten, schienen ganz dieser Ansicht
zu sein. "Ich bin echt begeistert", sagte etwa Daniel Hebenstreit, Neuntklässler
aus Meine. Dass der Applaus recht verhalten blieb zu verhalten, wie
die Meiner Lehrerin Gabi Sage meinte-, wird nichts mit Ablehnung zu tun
haben. Vielleicht damit, dass keine Schmusekatzen und kater auf der
Bühne standen, sondern harte Mädchen und toughe Typen.
Heute Abend, Beginn 20 Uhr gibt es die dritte und letzte Vorstellung
im Kulturzentrum. Balletttänzer aus Hildesheim tanzen im Vorprogramm.