Die erste HipHop-Opera entsteht derzeit in München
Mit 53 Jugendlichen soll im Herbst Premiere sein, Tournee folgt
Die ungeduldig brodelnde jugendliche HipHop-Kultur: Rappen, Breakdance,
Sprayen, Skaten, Rollerbladen ein ungeheures Potential. Ob in den
schwarzen Vierteln von New York, in der französischen "banlieue" oder
in den öden deutschen Vorstädten. Die Talente braucht man nur
von der Straße aufzulesen. Das Elster-Team Komponisten-Musiker-(Theater)Autoren-Trio
Vridolin Exing, Klaus-Peter Lieckfeld, Dick Städtler tat es.
Und testet klug schon mal vor dicht gepacktem Publikum im Münchner
Schlosszelt den Rohbau dessen, was als "WestEndOpera" im Herbst professionell
über eine Münchner Bühne und dann Wunschtraum
sogar zwei Jahre auf Tournee gehen soll: als erste "HipHopera" in der jungen
Geschichte dieser Straßenkultur.
Der enthusiastische Applaus am Ende der "Workshow" ist für die
53 Kids (via Audition von 132 ausgesucht) aus allen Münchner Stadtteilen
und 20 Nationalitäten nicht nur Anerkennung fürs
Schuften während der viermonatigen "WestEndOpera"-Schulung durch das
Initiatoren-Trio und weitere Lehrkräfte, sondern auch Ansporn, jetzt
"ihre!" Westendoper "auf Bühnenform" zu bringen. Initiative
und Kreativität werden maximal gefordert. Denn, wie workshop-gerecht,
aber dabei sehr unterhaltsam vorgestellt wurde, entwerfen die jungen Leute
unter Anleitung, Kritik, Hilfestellung des Lehrer-Teams selbst
ihre Ausstattung, komponieren ihre Musik, schreiben gemeinsam das Textbuch:
eine Story rund um Authentisches aus der eigenen Situation, von der Arbeitslosigkeit
bis zur Drogensucht und den zwangsweisen multikulturellen Reibungen. Schon
prima gelungen ist der Rapsong des jungen Türken auf türkisch
der seine abtrünnige Schwester für "die Hochzeit unterm
Halbmond" bewahren will. Und fetzig die Rap-Battle, 90er Jahre-Version
der puertorikanischen "Sharks contra Jets" aus der guten alten "West Side
Story".
Das Singen, ob im Gruppen-Rap oder amerikanischen Nostalgie-Musicalsound,
kann sich hören lassen. Und bravourös der solistische Breakdance.
Vielfach-Pirouetten auf Schulter und Kopf, eine Technik, dem ausgefeilten
US-Streetdance ebenbürtig, die allerdings schon mitgebracht wurde.
Das vorgeführte Kampftanz-Training des gesamten Ensembles zeigte,
daß diese Körperkunst sich nicht so schnell erlernt. Und auch
der Modern Dance muß, um bis zum Herbst bühnenreif zu werden,
von Profi-Teachern forciert werden. Aber die Mädchen und Jungs sind
sympathisch, klug, im Gespräch sehr artikuliert, wie das gleichzeitig
selbstgefertigte Arbeitsvideo nochmals demonstrierte. Und diese begabten
begeisterungsfähigen jungen Menschen müßten eigentlich
die beste Werbung sein für die dringend gesuchten "Paten". Zwar haben
Münchner Kulturreferat, Kreisjugendring und Sozialreferat für
Arbeit und Wirtschaft schon spontan in die Tasche gegriffen (mit 250.000
Mark), auch eine Reihe von Sponsoren (u. a. mit Ton- und Technik-Material).
Aber bis zur Vollendung dieser ersten "HipHopera", soll sie das "Hair"-Musical
der 90er werden, liegt noch eine lange finanzielle Durststrecke (ungefähr
1,5 Millionen Mark). Wenn man bedenkt, dass mit einem solchen Projekt nicht
nur kreatives Potential gefördert, Jobs geschaffen, sondern auch Jugendkriminalität
verhindert werden, ist ein Beitrag dazu im Grunde ein Sparvertrag zu eigenen
Gunsten.
Malve Gradinger