Samstag/Sonntag, 19./20. Juni 1999 ­ SZ ­ Wirtschaft

WestEndOpera als Motivation
Arbeitsamt beschreitet bei Berufsförderung neue Wege
 

Auf der großen Zeltbühne des Tollwood-Festivals auf dem Olympiagelände ist in diesen Tagen eine Produktion zu sehen, die in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fällt: Bei der "WestEndOpera" rappen, breaken, skaten und sprayen 31 Jugendliche aus zwölf Nationen auf der Bühne und zeichnen so ein authentisches Bild ihrer Generation. Texte, Musik, Bühnenbild ­ alles stammt von den 16- bis 26-jährigen Darstellern selbst. Auf die Idee, daß es sich dabei um ein Projekt des Arbeitsamtes München zur Berufsförderung für Jugendliche handeln könnte, wird bei der energiegeladenen Vorstellung wohl kaum jemand kommen. Genau das aber ist der Fall. Die meisten der Schauspieler und Sänger auf der Bühne sind arbeitslose Jugendliche ohne Ausbildung. Ihr großer Auftritt wird vom Arbeitsamt mitfinanziert. "Damit haben wir neue Wege bei der Berufsförderung beschritten", stellte Jochem Ellerich von der Berufsberatung des Arbeitsamtes das Projekt jetzt vor. Bei den klassischen Förderprogrammen würden Jugendliche ohne Ausbildung vom Arbeitsamt in Kursen geschult, um sie auf das Berufsleben vorzubereiten. Bei der WestEndOpera war alles etwas anders. Initiiert wurde das Projekt nicht vom Arbeitsamt, sondern vom Verein Kontrapunkt und dem Musiker Vridolin Enxing. Die Jugendlichen, mit denen sie ein modernes Musical inszenieren wollten, wählten sie auch nicht nach den Förderkriterien des Arbeitsamtes aus. "Am Anfang stand ein ganz normales Casting", erzählt Uli Gläss von Kontrapunkt. Erst als es um die Frage öffentlicher Fördergelder ging, entstand der Kontakt zum Arbeitsamt. Dort sieht man das Projekt als besonders gute Möglichkeit zur Berufsförderung. "Die Teilnehmer lernen wichtige Arbeitsqualifikationen noch viel besser als in herkömmlichen Kursen, weil sie hier mit einem sinnvollen Ziel verbunden sind", glaubt Ellerich. So mussten die Darsteller nicht nur Singen und Tanzen üben, sondern auch bei der Bühnentechnik mithelfen. Das Wichtigste, so Ellerich, sei, dass die Jugendlichen die gut einjährige Vorbereitungsphase durchgehalten hätten. "Für Leute, die oft schon mehrere Lehren abgebrochen haben, ist das ganz beachtlich." Mit dem Auftritt beim Tollwood-Festival (bis 23. Juni, täglich um 20 Uhr) ist das Projekt für das Arbeitsamt abgeschlossen. Und auch wenn danach nicht alle Karriere als Sänger und Tänzer machen, ist das Projekt für Ellerich ein Erfolg, denn "selbst eine Schreinerlehre war für viele von ihnen noch vor einem Jahr ein utopisches Ziel", sagt er.
 

Von Gabi Vögele
 
 

zurück zum Hauptmenue