Die Welt (Hamburg), 3.12.1999

Die Lust, das Street-Life auf der Bühne zu leben
 

Respekt. Hamburg ist kein leichtes Pflaster, erst recht nicht für Künstler aus München (Können die denn überhaupt cool sein?), und schon gar nicht, wenn sie die Hansestadt mit ihren eigenen Exportgütern beehren (Sind die hip?). Mit HipHop zum Beispiel. Immerhin, k 6 auf Kampnagel war wohlgefüllt, als das HipHop-Musical "WestEndOpera" seine Hamburger Premiere hatte, und das Münchner Ensemble dankte das Interesse mit einer kraftvollen, überzeugend überzeugten Aufführung. Womit wir schon bei den herausragenden Qualitäten wären: "WestEndOpera" ist ein Musical, das heißt, allzu hohe Ansprüche an raffinierte Dramaturgie, an schlüssige Handlungsstränge oder psychologisierende Persönlichkeitsprofile sollte man nicht haben ? darum geht's hier nicht.Thema ist Musik, ist eine temporeiche Inszenierung, sind ausgefeilte Tanzeinlangen, solistisch wie im Ensemble, Thema sind mitreißende Songs, herzzehrende Melodien, groovende Rhythmen: ein Musical ist ein Musical, dem Broadway näher als Brooklyn. HipHop ist in diesem Zusammenhang nur eine zeitgemäße Tönung, ein Hintergrund, der bestimmte Vorgaben schafft: fette Beats muss es geben, smoothe Raps müssen sein, Sprayer müssen ihre Tags taggen, Breaker ihre Tanzfiguren kreiseln. Den Rest regeln die üblichen Konfliktlinien, Liebe im Widerspruch zwischen Kopf und Bauch, Selbstfindung im feindseligen, fremden Land zwischen Familie und Freundeskreis, Kunst und Kommerz, Drogen und Missbrauch. Dennoch ist die "WestEndOpera" deutlich mehr als nur ein weiteres Musical. Den Unterschied macht, dass die 31 Mitglieder des Ensembles das Stück komplett auf der Grundlage ihrer Biografien entwickelt haben, und dass sich das im furiosen Spiel des Ensembles niederschlägt, in der Lust, mit der sie auf der Bühne ihre Rollen leben. Respekt, unbedingt.
 

Von Stefan Hentz
 
 

zurück zum Hauptmenue