Die Lust, das Street-Life auf der Bühne zu leben
Respekt. Hamburg ist kein leichtes Pflaster, erst recht nicht für
Künstler aus München (Können die denn überhaupt cool
sein?), und schon gar nicht, wenn sie die Hansestadt mit ihren eigenen
Exportgütern beehren (Sind die hip?). Mit HipHop zum Beispiel. Immerhin,
k 6 auf Kampnagel war wohlgefüllt, als das HipHop-Musical "WestEndOpera"
seine Hamburger Premiere hatte, und das Münchner Ensemble dankte das
Interesse mit einer kraftvollen, überzeugend überzeugten Aufführung.
Womit wir schon bei den herausragenden Qualitäten wären: "WestEndOpera"
ist ein Musical, das heißt, allzu hohe Ansprüche an raffinierte
Dramaturgie, an schlüssige Handlungsstränge oder psychologisierende
Persönlichkeitsprofile sollte man nicht haben ? darum geht's hier
nicht.Thema ist Musik, ist eine temporeiche Inszenierung, sind ausgefeilte
Tanzeinlangen, solistisch wie im Ensemble, Thema sind mitreißende
Songs, herzzehrende Melodien, groovende Rhythmen: ein Musical ist ein Musical,
dem Broadway näher als Brooklyn. HipHop ist in diesem Zusammenhang
nur eine zeitgemäße Tönung, ein Hintergrund, der bestimmte
Vorgaben schafft: fette Beats muss es geben, smoothe Raps müssen sein,
Sprayer müssen ihre Tags taggen, Breaker ihre Tanzfiguren kreiseln.
Den Rest regeln die üblichen Konfliktlinien, Liebe im Widerspruch
zwischen Kopf und Bauch, Selbstfindung im feindseligen, fremden Land zwischen
Familie und Freundeskreis, Kunst und Kommerz, Drogen und Missbrauch. Dennoch
ist die "WestEndOpera" deutlich mehr als nur ein weiteres Musical. Den
Unterschied macht, dass die 31 Mitglieder des Ensembles das Stück
komplett auf der Grundlage ihrer Biografien entwickelt haben, und dass
sich das im furiosen Spiel des Ensembles niederschlägt, in der Lust,
mit der sie auf der Bühne ihre Rollen leben. Respekt, unbedingt.
Von Stefan Hentz