Das ist alles ganz anders!
Jugendliche bringen in Puchheim das erste HipHop-Musical der Welt auf
die Bühne
Puchheim (dik)
Die Jugendlichen heute sind ja ganz anders! Wer am Mittwoch nachmittag
das neue Puchheimer Kulturcentrum PUC betreten hat, war sofort überzeugt
von diesem Satz.
Sie ziehen sich anders an, sie hören andere Musik, sie tanzen
ganz anders alles ist anders als bei den Erwachsenen heute. Vor allem
mit der Musik, mit Techno oder HipHop können die älteren gar
nichts anfangen. Auch das konnte man im PUC beobachten.
Das erste HipHop-Musical der Welt stand auf dem Spielplan, die "WestendOpera".
Eine Vorstellung von jungen Leuten über das Leben der Jugendlichen.
Und jung ging es auch im Publikum zu, war doch eine Schüler-Vorstellung
angekündigt. Nur wenige Eltern, Lehrer und Journalisten hatten sich
in den Saal gewagt; was so anders sei an der Jugend.
40 junge Frauen und Männer gehören zum Ensemble, das sich
die "WestEndOpera" ausgedacht, Musik und Texte geschrieben hat und sie
nun auf die Bühne bringt. Die Akteure sind zwischen 16 und 25 Jahre
alt. Das besondere: vor drei Jahren hätten sich die meisten nicht
träumen lassen, daß sie einmal auf einer Bühne stehen werden.
Ihr Leben verbrachten sie damit, die Schule zu schwänzen und in Jugendzentren
rumzuhängen. Dort fanden sie an der Pinwand eines Tages einen Zettel:
"Junge Leute für Musical gesucht." Nach den verschiedenen Castings
qualifizierten sich 40 Mädchen und Burschen.
Sie setzten sich zusammen und schrieben unter Anleitung von Profis
ein Stück über ihr eigenes Leben: Jugendliche, die ihren Träumen
nachhängen, die den Boden unter den Füssen verloren haben die
scheinbar niemand will. Im Mittelpunkt der "WestEndOpera" steht eine
Industrieruine. Hier treffen sich die Kids zum Abhängen, Quatschen,
Tanzen, Sprayen und Skaten. Da ist die junge Türkin, deren Vater sie
in der Türkei verheiraten will, ebenso wie die Drogenabhänige,
die sexuell Mißbrauchte, oder der Sprayer, der sich vor der Polizei
versteckt.
Es ist das eine, sich eine Geschichte auszudenken. Aufwendiger ist
es aber, diese auch zu singen und zu tanzen. Deshalb haben die jungen Leute,
die das Lied der Langeweile gesungen haben, einige Monate hartes Training
hinter sich: Stimmbildung, Gesang, Tanz, Bühnenpräsenz, körperliche
Fitneß und Kondition sind unerläßlich, um anderthalb Stunden
auf der Bühne zu fesseln. Langsam aber sicher wurde der eine oder
andere selbst zum Profi. Jetzt ist das Musical fast fertig. Die Aufführung
in Puchheim gehörte noch zu Phase der Vorbereitung. Nach der Premiere
im Juni folgen mehrere Auftritte beim Tollwood-Festival in München.
Anschließend geht die Truppe sogar auf Tournee durch Europa. Einige
der 16- bis 25jährigen werden dabei auch ihr Heimatland wiedersehen.
Kommen sie doch aus 13 verschiedenen Ländern. Gemeinsam versuchen
sie, sich ihren Traum zu erfüllen. Und tatsächlich sind einige
dabei, die den Sprung ins harte Showgeschäft schaffen können.
Dann müssen sie sich auch nicht mehr mit schlechten Bedingungen
wie im PUC herumschlagen. Mag das Dach so cool sein wie es will, die Technik
ist bei hartem Beat (noch?) überfordert. Auch Nachmittagsvorstellungen
sollten die Aufnahme bleiben, lässt sich der Saal doch kaum verdunkeln.
Zurück zum Stück. Die Mitglieder der Gang berichten von ihrer
Lebensgeschichte.
Andere tragen ihre Kämpfe und zum Teil mit den Füßen
aus, zu Teil mit den Fäusten . Die Breakdance-Wettstreite sorgen im
Publikum mehrfach für begeisterten Szenenapplaus. Laut und grell gehr
es zu. Im übrigen sind auf der Bühne all die Accessoires verteilt,
die Erwachsene mit Befremden erfüllen: Inlineskates, Skateboards,
Snowboards oder Spraydosen. Hinzu kommt die Mode der HipHopper, die weiten
Hosen und engen Tops, Baseballkappen und Piercings.
Bei all dem Fremd- und Andersartigen dürfte das Thema der Jugendlichen
jedoch auch den Erwachsenen bekannt vorkommen: Geht es doch auch den Erwachsenen
bekannt vorkommen: Geht es um den Widerstreit zwischen Idealen und Träumen
auf der einen Seite, um Geld und Macht auf der andere Seite. So groß
ist der Unterschied also nicht. Ganz anders ist sie nicht, die Jugend von
heute.