Fürstenfeldbrucker Tagblatt, Wochenende, 1./2.5.1999

Das ist alles ganz anders!
Jugendliche bringen in Puchheim das erste HipHop-Musical der Welt auf die Bühne
Puchheim (dik)
Die Jugendlichen heute sind ja ganz anders! Wer am Mittwoch nachmittag das neue Puchheimer Kulturcentrum PUC betreten hat, war sofort überzeugt von diesem Satz.
Sie ziehen sich anders an, sie hören andere Musik, sie tanzen ganz anders ­ alles ist anders als bei den Erwachsenen heute. Vor allem mit der Musik, mit Techno oder HipHop können die älteren gar nichts anfangen. Auch das konnte man im PUC beobachten.
Das erste HipHop-Musical der Welt stand auf dem Spielplan, die "WestendOpera". Eine Vorstellung von jungen Leuten über das Leben der Jugendlichen. Und jung ging es auch im Publikum zu, war doch eine Schüler-Vorstellung angekündigt. Nur wenige Eltern, Lehrer und Journalisten hatten sich in den Saal gewagt; was so anders sei an der Jugend.
40 junge Frauen und Männer gehören zum Ensemble, das sich die "WestEndOpera" ausgedacht, Musik und Texte geschrieben hat und sie nun auf die Bühne bringt. Die Akteure sind zwischen 16 und 25 Jahre alt. Das besondere: vor drei Jahren hätten sich die meisten nicht träumen lassen, daß sie einmal auf einer Bühne stehen werden. Ihr Leben verbrachten sie damit, die Schule zu schwänzen und in Jugendzentren rumzuhängen. Dort fanden sie an der Pinwand eines Tages einen Zettel: "Junge Leute für Musical gesucht." Nach den verschiedenen Castings qualifizierten sich 40 Mädchen und Burschen.
Sie setzten sich zusammen und schrieben unter Anleitung von Profis ein Stück über ihr eigenes Leben: Jugendliche, die ihren Träumen nachhängen, die den Boden unter den Füssen verloren haben die scheinbar  niemand will. Im Mittelpunkt der "WestEndOpera" steht eine Industrieruine. Hier treffen sich die Kids zum Abhängen, Quatschen, Tanzen, Sprayen und Skaten. Da ist die junge Türkin, deren Vater sie in der Türkei verheiraten will, ebenso wie die Drogenabhänige, die sexuell Mißbrauchte, oder der Sprayer, der sich vor der Polizei versteckt.
Es ist das eine, sich eine Geschichte auszudenken. Aufwendiger ist es aber, diese auch zu singen und zu tanzen. Deshalb haben die jungen Leute, die das Lied der Langeweile gesungen haben, einige Monate hartes Training hinter sich: Stimmbildung, Gesang, Tanz, Bühnenpräsenz, körperliche Fitneß und Kondition sind unerläßlich, um anderthalb Stunden auf der Bühne zu fesseln. Langsam aber sicher wurde der eine oder andere selbst zum Profi. Jetzt ist das Musical fast fertig. Die Aufführung in Puchheim gehörte noch zu Phase der Vorbereitung. Nach der Premiere im Juni folgen mehrere Auftritte beim Tollwood-Festival in München. Anschließend geht die Truppe sogar auf Tournee durch Europa. Einige der 16- bis 25jährigen werden dabei auch ihr Heimatland wiedersehen. Kommen sie doch aus 13 verschiedenen Ländern. Gemeinsam versuchen sie, sich ihren Traum zu erfüllen. Und tatsächlich sind einige dabei, die den Sprung ins harte Showgeschäft schaffen können. Dann müssen sie sich auch nicht mehr mit schlechten Bedingungen  wie im PUC herumschlagen. Mag das Dach so cool sein wie es will, die Technik ist bei hartem Beat (noch?) überfordert. Auch Nachmittagsvorstellungen sollten die Aufnahme bleiben, lässt sich der Saal doch kaum verdunkeln. Zurück zum Stück. Die Mitglieder der Gang berichten von ihrer Lebensgeschichte.
Andere tragen ihre Kämpfe und zum Teil mit den Füßen aus, zu Teil mit den Fäusten . Die Breakdance-Wettstreite sorgen im Publikum mehrfach für begeisterten Szenenapplaus. Laut und grell gehr es zu. Im übrigen sind auf der Bühne all die Accessoires verteilt, die Erwachsene mit Befremden erfüllen: Inlineskates, Skateboards, Snowboards oder Spraydosen. Hinzu kommt die Mode der HipHopper, die weiten Hosen und engen Tops, Baseballkappen und Piercings.
Bei all dem Fremd- und Andersartigen dürfte das Thema der Jugendlichen jedoch auch den Erwachsenen bekannt vorkommen: Geht es doch auch den Erwachsenen bekannt vorkommen: Geht es um den Widerstreit zwischen Idealen und Träumen auf der einen Seite, um Geld und Macht auf der andere Seite. So groß ist der Unterschied also nicht. Ganz anders ist sie nicht, die Jugend von heute.
 
 

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